In einem ausführlichen Schreiben, das an alle Mitglieder der CDU Hameln versandt wurde, schildert die Ratsfraktion die Entwicklung der Diskussion über die Sanierung der Fußgängerzone. Und stellt gleichzeitig ihre Ideen zur Sanierung vor.
Claudio Griese Das Schreiben im Wortlaut:
Informationen und Stellungnahme zur Neugestaltung der Hamelner Fußgängerzone
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie kaum ein anderes Thema in den letzten Jahren bewegt und erhitzt die geplante Modernisierung der Fußgängerzone die Gemüter. Angesichts der Unübersichtlichkeit der Entwicklungen und den teilweise vorhandenen Informationsdefiziten wollen wir Sie zum Zwecke der Aufklärung und der Versachlichung der Angelegenheit über die Entwicklung der Modernisierung und den aktuellen Verfahrensstand informieren:
1. Nachdem Ende des Jahres 2004 mehrheitlich der Rat der Stadt Hameln der Errichtung eines ECE – Centers in der Hamelner Altstadt zugestimmt hat, wies danach der damalige Oberbürgermeister Klaus Arnecke darauf hin, dass eine Modernisierung der Fußgängerzone vorgenommen werden sollte. Einhellige Meinung der Politik war es, vor Eröffnung der Stadtgalerie im Frühjahr 2008 die Modernisierung abzuschließen.
Zur Finanzierung der Modernisierung sollte die Rückzahlung eines Darlehens der HWG an die Stadt Hameln in Höhe von 3,5 Millionen Euro dienen. Aufgrund des fraktionsübergreifend gewollten Baus der Mensen an den drei Hamelner Gymnasien schmolz der Betrag für die Fußgängerzonenmodernisierung auf eine Million Euro ab.
2. Die Stadt Hameln rief einen Architektenwettbewerb aus, den neben dem Architekturbüro Deeken auch noch zwei weitere Bewerber gewannen. In der vergangenen Ratsperiode erhielt dann Frau Deeken den Auftrag, entsprechend ihrem Wettbewerbsvorschlag die Modernisierungsplanung in Angriff zu nehmen.
3. Nach der Kommunalwahl im Jahre 2006 drängten Vertreter der Anlieger der Bäcker- und Osterstraße auf eine Sanierung der Bereiche Osterstraße, Bäckerstraße und Pferdemarkt bis zur Eröffnung der Stadtgalerie. Die Anlieger stellten hierfür einen Finanzierungsanteil von einer Million Euro in Aussicht. Geplant wurde mit Gesamtkosten der Modernisierung von vier Millionen Euro, wobei hiervon eine Million städtischer Gelder, eine Million von den Anliegern und zwei Millionen an EU-Fördergeldern eingebracht werden sollten.
4. Am 21.03.2007 fasste der Rat der Stadt Hameln einstimmig den Beschluss, mittels dem integriertem städtischen Entwicklungs- und Wachstumskonzept zur Verbesserung der touristischen und Einzelhandelsstruktur Fördergelder für die Fußgängerzone bei dem Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung beim Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit zu beantragen. Bereits bei dieser Beschlussfassung haben alle Fraktionen im Rat deutlich gemacht, dass das bisherige Grün in der Fußgängerzone mindestens erhalten bleiben, nach Möglichkeit erhöht werden sollte.
5. Da die Anlieger keine reelle Chance mehr sahen, vor Eröffnung des ECE-Centers eine Modernisierung der Fußgängerzone vorzunehmen und abschließen zu können, zogen diese im Jahre 2007 ihre Zusage auf finanzielle Beteiligung zurück.
6. Der Landkreis Hameln-Pyrmont hat auf einen Antrag der Stadt Hameln hin erklärt, im Rahmen der üblichen Co-Finanzierung von EU-Projekten in Höhe von 15 % der Gesamtsumme einen Anteil, namentlich 600.000,00 €, an den Modernisierungskosten zu übernehmen. Einige Anlieger haben ihre Bereitschaft erklärt, einen Anteil an der Modernisierung zu übernehmen, sodass eine Finanzierung der Modernisierung in Höhe von 4 Millionen Euro möglich ist.
7. Am 07.05.2008 teilte das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit mit, dass für die Modernisierung der Fußgängerzone 2 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden.
8. Für den 09.07.2008 legte die Stadtverwaltung eine Beschlussvorlage (99/2008) dem Rat zur Verabschiedung vor, wonach als Grundsatzbeschluss erstens die Neugestaltung der Fußgängerzone für den Pferdemarkt auf der Grundlage der vorgestellten Planung zugestimmt werden sollte, zweitens die Ausführungsplanung Fußgängerzone fertiggestellt und die Verwaltung beauftragt wird, die Ausschreibungsunterlagen vorzubereiten und das Ausschreibungsverfahren zeitnah einzuleiten, und drittens die Ergebnisse der Ausschreibungsverfahren und die endgültige Festlegung in Materialwahl und farblicher Gestaltung des Bodenbelages zeitgerecht dem Verwaltungsausschuss nach Vorberatung im Fachausschuss vorgestellt und festgelegt werden soll.
In der Dewezet am 03.07.2008 hat die CDU – Fraktion kritisiert, dass eine derart wichtige Entscheidung über Material und Bodenbelag nicht im nichtöffentlichen Verwaltungsausschuss sondern in einer öffentlichen Ratssitzung vorgenommen werden soll. Dem ist die Mehrheitsgruppe noch am selben Tage im Fachausschuss gefolgt. In der Ratssitzung am 09.07.2008 hat die CDU dann beantragt, die Wiederverlegung des Kopfsteinpflasters am Pferdemarkt zu prüfen (aus Sicht der Verwaltung sollte dieser entsorgt werden), dann eine Blindenleitlinie zu verlegen (aus Sicht der Architektin Deeken sei dieses nicht nötig) und ein Finanzierungskonzept der Verwaltung für alle drei Teilbereiche, also Bäckerstraße, Osterstraße und Pferdemarkt, vorzulegen.
Unsere Anträge sind mit den Stimmen der Mehrheitsgruppe (SPD, FDP, Grüne) und der Stimme der Oberbürgermeisterin Lippmann abgelehnt worden. Dem Grundsatzbeschluss haben daraufhin die CDU und die Bürgerliste am 09.07.2008 nicht zugestimmt.
9. Aufgrund des überheblichen Verhaltens der Mehrheitsgruppe hat die Wählergemeinschaft „Frischer Wind für Hamelns Rat“ eine Woche nach der vorgenannten Ratssitzung, nämlich dann am 16.07.2008, eine Anzeige auf Einleitung eines Bürgerbegehrens bei der Stadt Hameln vorgenommen.
10. Als Reaktion hierauf verkündete dann die Mehrheitsgruppe am 26.08.2008, man werde nun den Bürgern die Modernisierung erklären, hätte Fehler gemacht und würde nun auch die noch vor einem Monat abgelehnten Anträge der CDU aufgreifen.
11. Ende 2008 beschloss die Mehrheitsgruppe gegen die Stimmen der CDU, die Verlegung der Trafostationen vorzunehmen. Wir stimmten seinerzeit dagegen, da die Verwaltung immer noch kein Finanzierungskonzept für alle drei Teilbereiche vorgelegt hatte.
12. Am 16.01.2009 stellte die Oberbürgermeisterin den Fraktionsvorsitzenden die bisher letzte Verwaltungsvorlage (7/2009) für die Fußgängerzonenmodernisierung vor, wonach aufgrund jetzt erst vorgenommener Bodenuntersuchungen die bisherigen Kostenansätze nicht mehr zu halten wären. Je nach dem, ob die Hochzeitshausterrasse in die Modernisierung einfließen würde, oder ob nur Betonstein, nur Granitstein oder eine Mischung beider vorgenommen wird, entstünden Gesamtkosten zwischen 5,08 Millionen Euro bis 6,135 Millionen Euro.
13. Da wir bereits aufgrund unserer Aussage im Kommunalwahlprogramm 2006 erklärt hatten, dass wir für eine Modernisierung der Fußgängerzone eintreten, haben wir in der Ratssitzung am 18.02.2009 beantragt, dass die Kosten durch Einsatz eines Kostendeckels auf 5 Millionen Euro insgesamt begrenzt werden sollen. Dem sind im Rat alle Fraktionen gefolgt.
Außerdem haben wir durchgesetzt, dass die Stadtverwaltung das sog. „InfraCrete“-Mittel bei der Ausschreibung berücksichtigt. Danach ist kein aufwendiges und kostspieliges Auskoffern des gesamten Untergrundes erforderlich, sondern aufgrund des o. g. Bindemittels kann ein Bodenaushub unterbleiben, wodurch massive Kosteneinsparungen erzielt werden können.
14. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Stadtverwaltung trotz dem seinerzeitigen Ratsbeschluss bis heute keine Ausschreibung für den ersten Abschnitt (Pferdemarkt) vorgenommen hat. Ferner liegt bis heute keine Detailplanung der Architektin Deeken für die Osterstraße und die Bäckerstraße vor.
15. Im Vorfeld der seit November 2008 geplanten Mitgliederversammlung des CDU – Stadtverbandes Hameln am 17.03.2009 mussten wir jedoch feststellen, dass die bisher immer vorhanden gewesene Unterstützung der Parteimitglieder für die Fußgängerzonenmodernisierung massiv bröckelte und die Stimmung „gekippt“ war. Auf der Mitgliederversammlung brachten die Parteimitglieder einhellig zum Ausdruck, dass sie immer noch für eine Modernisierung der Fußgängerzone sind. Nicht jedoch in der derzeit vorgesehenen finanziellen Höhe und auch nicht in dem vorgesehenem Umfang.
Als Fraktion haben wir jedoch immer darauf hingewiesen, dass bei einem derart großen und weitreichenden Projekt die Unterstützung der Parteibasis für uns entscheidend ist. Da die Unterstützung in dieser Frage nicht mehr gegeben war, haben wir am 18.03.2009 beschlossen, dass wir zwar weiterhin für eine Modernisierung der Fußgängerzone stehen, diese jedoch in einer „kleineren Variante“ umgesetzt wissen möchten.
16. Am 25.03.2008 hat sich daher die Fraktionsspitze auf Vermittlung unseres Landtagsabgeordneten Otto Deppmeyer mit zuständigen Vertretern des Ministeriums für Frauen, Arbeit, Soziales und Gesundheit getroffen, um auszuloten, inwieweit eine veränderte Planung der Modernisierung noch den Erhalt der Fördergelder ermöglicht. Kurz gefasst ist hierzu festzuhalten, dass dieses grundsätzlich möglich ist, jedoch hierfür sehr hohe Hürden bestehen.
17. Unabhängig von der Modernisierung haben wir mit einer Maßnahmenoffensive für die Fußgängerzone begonnen: so haben wir einen Antrag auf Änderung der Werbesatzung der Stadt Hameln beantragt, womit das Zukleben und Verhängen von Schaufenstern bei Leerständen unterbunden werden soll. Weiter haben wir eine Anfrage an die Stadtverwaltung zu den Reinigungsintervallen in der Fußgängerzone gestellt. Die Fraktion behält sich die Stellung von Anträgen im Rahmen von Wirtschaftsförderungsprogrammen für die Hamelner Innenstadt vor.
18. Im Hinblick auf die von den Mitgliedern gewünschte Modernisierung der Fußgängerzone haben wir als CDU-Fraktion im Rat der Stadt Hameln entschieden, uns für eine kleinere Lösung einzusetzen. Dennoch ist es unser Ziel, die EU-Fördermittel nicht zu verlieren. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Stadt Hameln die Förderfähigkeit der derzeit geplanten Modernisierung deshalb erhalten hat, weil das Gesamtkonzept im Rahmen eines generellen Punktekataloges überzeugt hat.
Sollten folglich einzelne Aspekte aus der Planung herausgenommen werden, hätte dieses den Verlust von Punkten als Konsequenz, mit der Folge, dass andere Städte, die ebenfalls einen Antrag auf Förderung gestellt haben, seinerzeit jedoch eine geringere Punktzahl erhalten haben, dann nachträglich die Förderfähigkeit erhielten und Hameln die Förderzusage aus Hannover verlieren würde.
Deshalb ist es entscheidend, bei einem Verzicht auf die Pflastererneuerung eine adäquate Planungsalternative anzubieten. Wir haben daher als Fraktion am 30.03.2009 einen Katalog an Vorschlägen für eine geänderte Modernisierung der Fußgängerzone beschlossen.
Danach halten wir daran fest, dass eine Verlegung der Trafostationen und der Versorgungsleitungen (bspw. für den Weihnachtsmarkt) unter die Erde erfolgen soll. Auch soll ein geändertes Beleuchtungskonzept für die Innenstadt umgesetzt werden. Das derzeit ungeordnete Mobiliar sollte vereinheitlicht werden. Weiter könnten wir uns vorstellen, neben dem Pferdemarkt, der Osterstraße und der Bäckerstraße auch in den Nebenstraßen das vorhandene Grün zu ordnen und gegebenenfalls auch ergänzen. Wir wollen eine sog. Altstadtgemütlichkeit erzeugen, die dem historischen Flair der Innenstadt Rechnung trägt.
Eine Verlegung neuen Pflasters erfolgt nicht.
Um nicht in die Gefahr des Verlustes der EU – Fördergelder zu gelangen, schlagen wir stattdessen vor, neben der lediglich beabsichtigten Modernisierung des Aufganges zur Osterstraße vom Tunnel „Grüner Reiter“ entweder eine Komplettsanierung oder eine Schließung des Tunnels vorzunehmen. Bei der zweiten Variante würden die Besucher- und Käuferströme besser in die Osterstraße gelenkt werden. Inwieweit eine Umsetzung im Rahmen der EU – Fördermittel möglich ist, bleibt abzuwarten.
Über eine endgültige Antragstellung der Fraktion wird erst nach dem Bürgerentscheid am 19.04.2009 entschieden.
Aus unserer Sicht ist jedoch ein Hinweis über die rechtlichen Auswirkungen des Bürgerentscheides wichtig. Die Frage des Bürgerentscheides, über den Sie am 19.04.2009 abstimmen können, lautet: „Sind Sie dafür, dass die Fußgängerzone der Stadt Hameln in ihrer jetzigen Form erhalten bleibt und nicht neu gestaltet wird?“ Die Formulierung der Frage verdeutlicht das Dilemma, in dem sich alle Beteiligten befinden. Auch die Befürworter des Bürgerentscheides wünschen eine Modernisierung, nur in einer kleineren Form.
Bei einem Erfolg des Bürgerentscheides hat gemäß § 22 Abs. 11 NGO dieser die Wirkung eines Ratsbeschlusses und kann vor Ablauf von zwei Jahren nur auf Antrag des Rates durch einen neuen Bürgerentscheid abgeändert werden. Es liegt auf der Hand, dass selbst bei Durchführung eines erneuten Bürgerentscheides binnen zwei Jahren die erforderliche Anzahl an Bürgerinnen und Bürgern für einen dann weiteren positiven Bürgerentscheid nicht erreicht werden dürfte.
Dieser Zeitverlust führt mit höchster Wahrscheinlichkeit zum Verlust der EU-Fördergelder, da das Ministerium spätestens im Jahre 2010 alle Förderprojekte auf ihren Beginn hin überprüft. Soweit ein Projektbeginn noch nicht erfolgt ist, prüft das Ministerium, ob bis zum Ende der Förderperiode 2013 die Maßnahme noch realisiert und abgerechnet werden kann. Dieses dürfte jedoch aufgrund eines Stillstandes bis April 2011 bei einem positiven Bürgerentscheid nicht mehr realistisch sein.
Daher möchten wir Sie im Interesse einer positiven Stadtentwicklung darum bitten, bei dem anstehenden Bürgerentscheid nicht mit Ja zu votieren, um der Politik noch den Handlungsspielraum zu ermöglichen, eine kleinere Modernisierungsplanung vorzulegen und zu versuchen, die Fördergelder noch zu retten. Bitte bedenken Sie, dass auch andere Städte zeitnah ihre Fußgängerzonen „aufpoliert“ haben.
Es dürfte nachvollziehbar sein, dass die CDU-Fraktion nicht zu jedem Thema derart umfassend alle Mitglieder informieren kann. Da es jedoch bei dem anstehenden derart wichtigen Projekt schwierig ist, die gesamte Handlungsweise der Fraktion in der Presse darzustellen, haben wir diesen sicherlich nicht alltäglichen Weg gewählt, um Sie über die bisherige Entwicklung und den aktuellen Verfahrensstand in Kenntnis zu setzen.
Die CDU – Fraktion im Rat der Stadt Hameln wünscht Ihnen und Ihren Angehörigen ein ruhiges und besinnliches Osterfest.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Claudio Griese
Fraktionsvorsitzender